nur WWW: Die Modernität von 1848/49

Organisatoren
Birgit Bublies-Godau / Stefan Berger, Institut für soziale Bewegungen, Ruhr-Universität Bochum; Kerstin Wolff, Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel; Dorothee Linnemann, Historisches Museum, Frankfurt am Main; Elisabeth Thalhofer, Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Rastatt; Forum Vormärz Forschung e.V., Bielefeld
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
16.05.2023 - 18.05.2023
Von
Birgit Ellen Bublies-Godau, Institut für soziale Bewegungen, Ruhr-Universität Bochum; Dorothee Linnemann, Historisches Museum, Frankfurt am Main; Elisabeth Thalhofer / Andrej Bartuschka, Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Rastatt; Kerstin Wolff, Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel

Die Geschichte der Revolutionen von 1848/49 stößt wieder auf ein wachsendes Interesse in der deutschen Öffentlichkeit und Wissenschaft: Mehrere Tagungen, Podien und Ausstellungen zum 175. Jubiläum des Ereignisses fanden 2023 großen Zuspruch bei Bürger:innen und Forscher:innen, neue Publikationen sind bereits erschienen, andere angekündigt, und selbst die einschlägige Forschung zu dieser bedeutenden deutschen und europäischen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts hat zuletzt einen deutlichen Aufschwung genommen. Im Vordergrund stehen dabei innovative Forschungszweige und neue gedenkpolitische Debatten, an die die interdisziplinäre Revolutionsforschung und eine aktualisierte Revolutionserinnerung anknüpfen können. Zu diesen Forschungsfeldern gehört das wiedererstarkte Interesse an der deutschen Demokratiegeschichte, das von einem breiteren Demokratieverständnis ausgeht und sich auch auf die Untersuchung des demokratischen Gehalts der 1848er-Revolution erstreckt. Zudem wird nach der Modernität der Revolution gefragt und ihren Verflechtungszusammenhängen nachgegangen.

Auch das Organisationsteam der Tagung hatte, wie BIRGIT BUBLIES-GODAU (Bochum) und KERSTIN WOLFF (Kassel) in ihrer Begrüßung betonten, aktuelle Forschungstrends aufgegriffen und in den Mittelpunkt von acht Sektionen gestellt. Dabei ging es den Organisator:innen vor allem um die Bedeutung der 1848er-Revolution für den Aufbruch Deutschlands in die demokratische Moderne und den Übergang zu einer von aktiven Bürger:innen getragenen Zivilgesellschaft. In den Sektionen sollte der Zusammenhang von Modernität, Demokratie und Revolution für verschiedene gesellschaftliche Bereiche und die transatlantisch-europäischen Bezüge aufgezeigt werden, um so die Stellung der Revolution in der Demokratiegeschichte neu zu bestimmen.

Den Einstieg in das Thema übernahm NORBERT FABIAN (Bochum) mit revolutions- und demokratietheoretischen Überlegungen. Danach sollten europäisch vergleichende Perspektiven und gewaltärmere Revolutionsformen ins Zentrum von Revolutionsdarstellungen gerückt werden; auch seien Revolutionen wegen ihrer Orientierung auf Menschenrechte und Demokratie neu zu definieren. JEAN-CHRISTOPHE MERLE (Vechta) wandte sich darauf den Schriften von Alexis de Tocqueville zu. Der Staatstheoretiker hatte sich intensiv mit der französischen Februarrevolution auseinandergesetzt und diese als soziale Transformation verstanden, der die Leidenschaft für die Gleichheit zugrunde lag. Beschlossen wurde die Sektion von DIOGO SASDELLI (Saarbrücken), der den Aufklärungsphilosophen Christian Wolff als bisher übersehenen Denker des Liberalismus vorstellte. Wolff habe das deutsche Verständnis vom Liberalismus substantiell geprägt und dessen Spannung zwischen individueller Freiheit und allgemeiner Sicherheit genau beschrieben.

Verfassungs- und politikgeschichtliche Problemstellungen standen in der zweiten Sektion im Vordergrund. Hier ging EWALD GROTHE (Gummersbach) zunächst auf die positive Wahrnehmung populärer Politiker und der konstitutionell-parlamentarischen Entwicklung in Staaten des Deutschen Bundes ein. Diese Vorbilder des Vormärz seien 1848/49 für das Auftreten der Abgeordneten, die Einübung der parlamentarischen Praxis und die Ausarbeitung der Verfassung entscheidend gewesen. An dem Punkt setzte KLAUS SEIDL (Berlin) mit seinen Ausführungen zu einem Ausstellungsprojekt über die Paulskirchenverfassung an. Wie die Verfassungsurkunde durch den Schriftführer des Parlaments gerettet und später an den Präsidenten des Norddeutschen Reichstags übergeben wurde, darüber berichtete Seidl genauso wie über den Diebstahl der Verfassung 1930 aus der Reichstagsbibliothek, deren Verlust gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, den zufälligen Fund eines Exemplars 1951 und dessen Verbleib in einem Ost-Berliner Museum.

KATHARINA THIELEN (Saarbrücken / Bonn) behandelte darauf die Möglichkeiten politischer Beteiligung in der preußischen Rheinprovinz. Ein Ergebnis ihrer Forschungen bezog sich auf Aushandlungs- und Anpassungsstrategien von Stadträten in fünf Städten, durch die kreative Formen von Kommunikation und demokratischer Praxis sichtbar wurden. Gerade einige vermeintlich vormodernen Elemente der politischen Kultur Preußens betrachtete Thielen als Katalysator moderner Partizipationsformen im Rheinland. Abschließend setzte sich CHRISTIAN JANSEN (Trier) mit imperialistischen und kolonialistischen Vorstellungen in der Paulskirche auseinander. 1848/49 seien derartige Überlegungen hauptsächlich in die Debatten über die Grenzen eines deutschen Nationalstaats und die Anschaffung einer Flotte eingeflossen. Zwar hätten die Parlamentarier zuvörderst das Ziel eines geeinigten, freiheitlichen Nationalstaats verfolgt, teilweise jedoch auch nach militärischer (See-)Macht und globalen Absatzmärkten gestrebt.

Die dritte Sektion nahm die sozialen Bewegungen in den Blick. Den Anfang machte OLAF BRIESE (Halle), der zuerst den Terminus „Assoziation“ definitorisch klärte, ehe er dessen weitere Verwendung untersuchte: 1848/49 habe dieser den Rang eines Schlüsselkonzepts mit verschiedenen Begriffsebenen erlangt, dabei Gerechtigkeitsvorstellungen transportiert und zur wirtschaftlichen Emanzipation beigetragen. SUSANNE SCHÖTZ (Dresden) untersuchte am Beispiel von Louise Otto-Peters die Versuche führender Akteurinnen der Revolutionszeit, die Frage der Arbeitsorganisation mit politischen Forderungen zu verknüpfen. Otto-Peters hatte während der Revolution Zeitschriftenartikel veröffentlicht und darin die Gewährung politischer Freiheitsrechte, aber auch die Lösung sozialer Probleme und die Gleichstellung von Frauen gefordert. Die Sektion beschloss JÜRGEN SCHMIDT (Trier), der die Gründung neuer Assoziationen der Arbeiterbewegung als Ergebnis eines umfassenden Politisierungsprozesses im Vormärz wertete. Da sich zahlreiche Arbeiter und Gesellen in den 1830er-Jahren im Exil zusammengeschlossen hätten, konnten sie aufgrund jener Erfahrungen 1848/49 erstmals in Arbeitervereinen für ihre eigenen Interessen streiten und Erfolge erzielen.

Zu Beginn der vierten Sektion zu den Geschlechterrollen der Revolution thematisierte CORINNA OESCH (Wien) das Petitionswesen um 1848, das Frauen die Möglichkeit bot, sich zur Revolutionszeit politisch Gehör zu verschaffen. Nach der Hälfte ihres Vortrages wechselte die Referentin unvermittelt ihren Gegenstand und sprach nun über ihrer Meinung nach aktuelle Demokratieprobleme, die sie an der weltweiten Coronapolitik festmachte. Wiederholt verwendete Oesch dabei Diskursfiguren, die von ausgewiesenen Coronaleugner:innen und Querdenker:innen genutzt werden, was beim Tagungspublikum mehrheitlich auf deutliche Kritik und nur vereinzelt auf Zustimmung stieß. Ungeachtet dieses Störungsversuchs wurde die Tagung danach zunächst fortgesetzt. So wies SUSANNE WOSNITZKA (Augsburg) in ihrem folgenden Beitrag nach, wie ergiebig Zeitungsanalysen sein können. Erst durch diese war sie auf die Spur unbekannter Wegbereiterinnen der Emanzipation gestoßen, die zwischen Französischer Revolution und 1848er-Revolution eine Änderung der normierenden Frauenrolle forderten und deren besonderes Erkennungszeichen ihre Frisuren und das Tragen von Hosen waren.

Zur endgültigen Beruhigung der Tagungsatmosphäre trugen dann die Ausführungen der Tagungsorganisator:innen und von Stefan Müller, Referent der Friedrich-Ebert-Stiftung, bei, die sich eindeutig von Corinna Oeschs Vorgehen distanzierten und für die notwendige Klarheit im Umgang mit Störversuchen bei Konferenzen und mit demokratieverachtenden Strömungen der Gegenwart sorgten.

Als nächster Vortragender wandte sich VINCENT DOLD (Berlin) einem wenig beachteten Medium zu, den weiblichen Revolutionsbriefen. Über ihre Auswertung konnte er spezifische geschlechtliche Zuordnungen in der Revolution ausmachen. Dabei interessierte ihn vor allem die Frage, ob alltagspraktische Handlungen wie das Schmücken des Hauses nicht stärker als „Stützhandlungen“ zur Revolution verstanden werden müssten. Im Mittelpunkt des Beitrags von STEFAN MÜLLER (Bonn) stand die „revolutionäre Liebe“ von Johannes Miquel und Bertha Levy. Ihre überlieferte Korrespondenz zeigt, dass 1848/49 bürgerlich-patriarchale Paarkonzepte auch von Männern in Frage gestellt wurden und dass Miquel und Levy nach einer gleichberechtigten Form der Beziehung suchten, selbst wenn sie am Ende kein Paar wurden.

Die fünfte Sektion wandte sich der Kommunikationsrevolution 1848/49 zu. Zunächst beschrieb NORBERT OTTO EKE (Paderborn) die Entwicklung der Literatur in Vormärz und Revolution und das von etlichen Autoren verfolgte Konzept von „Zeit und Zeitgenossenschaft“, das er mit dem Begriff „Prä-Modernität“ verband. Eingehend analysierte er, wie aus Sicht jener Autoren die Literatur Stellung zur Wirklichkeit, zu politisch-sozialen Problemen, aber auch zur Ästhetik beziehen und damit ihre Zeitgenossenschaft beweisen sollte. Im Anschluss widmete sich SANDRA MARKEWITZ (Vechta) einem kaum beachteten Thema, der Sprache der Revolution. Sie erläuterte, wie im Vormärz durch die Verschränkung sprachphilosophischer und ideengeschichtlicher Aspekte der Raum des Historischen als Zone einer nachdrücklichen Grammatikalisierung gesehen wurde. Die Sprache der Revolution sei dann nicht mehr ein Instrument der Wenigen, sondern eine projektive Freiheitsform an Möglichkeiten gewesen.

Wie lohnenswert die Beschäftigung mit weiblichen Positionen für das Verständnis der Revolution sein kann, belegte ANNE-ROSE MEYER (Wuppertal) im Falle von Schriftstellerinnen. Über die Auswertung des Briefwechsels von Ottilie von Goethe und Sibylle Mertens, von Fanny Lewalds 1848er-Erinnerungen und Malwida von Meysenbugs „Memoiren einer Idealistin“ konnte Meyer exemplarisch darlegen, wie die Entscheidung für eine bestimmte Ausdrucksform mit der Distanz und der Bewertung des Revolutionsgeschehens durch die Autorinnen einherging. Abschließend analysierte BERND FÜLLNER (Wuppertal) die in der Revolution massenhaft verbreiteten Karikaturen. Dabei verfolgte er, wie Georg Weerth in seinem Roman „Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski“ Fiktion und Realität miteinander verknüpfte. Zudem demonstrierte er an Abbildungen der Abgeordneten, wie damalige Illustratoren die Verbindung von realer Person und fiktiver Romangestalt für ihre Darstellungen nutzten.

Standen Lebensgeschichten beim letzten Revolutionsjubiläum noch nicht so stark im Fokus, so bildeten die Biographien der Achtundvierziger:innen bei dieser Tagung einen inhaltlichen Schwerpunkt. Zuerst analysierte BIRGIT BUBLIES-GODAU (Bochum) das Verhältnis liberaler und republikanischer Familien zur 1848er-Revolution. Anhand ausgewählter Familienangehöriger arbeitete sie heraus, wie demokratische Strukturen und Vorbilder in Deutschland entstanden, wie jene von 1789 bis 1945/49 überliefert wurden und die demokratische Traditionsbildung beförderten. An ihr Fazit, dass familienhistorische Zugänge eine große Bedeutung für die deutsche Demokratie- und Revolutionsgeschichte haben würden, konnte SARA PANTER (Mainz) mit ihrem Beitrag unmittelbar anknüpfen. Darin untersuchte sie die Wirkungsgeschichte der Revolution, indem sie sich mit nordamerikanischen Forty-Eighters, deren Familien und Verhältnis zur Revolution beschäftigte. Als Ergebnis stellte sie fest, dass über das Schicksal der meisten exilierten Revolutionär:innen nur wenig bekannt sei; dies gelte insbesondere für die Kinder und Kindeskinder, deren Leben von den Erfahrungen ihrer Vorfahren maßgeblich geprägt war.

HERMANN RÖSCH (Köln) wechselte darauf die Perspektive zu revolutionären Paarbiographien und stellte die berühmten Eheleute Johanna und Gottfried Kinkel vor. Wie Rösch darlegte, beruhte die Kinkelsche Ehe, die sich wegen der vermeintlich unstatthaften Beziehung zeitweise heftiger Kritik ausgesetzt sah, auf gegenseitiger Wertschätzung, Unterstützung und Gleichberechtigung. Damit war sie in vielerlei Hinsicht ihrer Zeit weit voraus. TOBIAS HIRSCHMÜLLER (Eichstätt / Ingolstadt) thematisierte im einzigen individualbiographischen Tagungsbeitrag das „erste parlamentarische Staatsoberhaupt Deutschlands“, Erzherzog Johann von Österreich. Mit dem Reichsverweser behandelte er einen fast vergessenen Revolutionsakteur, dessen Arbeit im Spannungsfeld zwischen Standesbewusstsein und Amtsfunktion gestanden habe und der mit zahlreichen Klischees belegt wurde und wird.

Zum Abschluss sprach SUSANNE KITSCHUN (Berlin) über den Friedhof der Märzgefallenen und das Erinnern in verschiedenen Systemen. Ausgehend von seinen Anfängen – nach den Märzkämpfen war er für gefallene Barrikadenkämpfer:innen angelegt worden – galt der Friedhof als Zeugnis und Erzeugnis der 1848er-Revolution, da politische Demonstrationen wie individuelle Traueraktionen das Gedenken prägten. Ähnliches könne auch über das Gedenken im Kaiserreich als Teil sozialdemokratisch-linksliberaler Traditionen, die Nutzung als Begräbnisstätte für die Toten der Novemberrevolution 1918 oder das Gedenken in beiden deutschen Staaten gesagt werden.

Zwei Vorträge widmeten sich den Innovationen der Revolution. ANDREAS FAHRMEIR (Frankfurt am Main) untersuchte die unterschiedliche Wahrnehmung der Revolution in Zeitschriftendiskursen als unumstößliche Zäsur oder reformorientierten Prozess. Gerade die Diskurse aus dem linken Pressespektrum legten nahe, wie die Versuche eines „radikalen Bruchs“ hätten aussehen und am Ende zu einer Bedrohung der bisherigen Ordnung führen können. Mit der Frage, inwiefern die Forty-Eighters eine Rolle in der Bildungsarbeit der Nachkriegszeit spielten, wandte sich SABINE FREITAG (Bamberg) bestimmten Strängen der US-Erinnerungspolitik als Vorbilder der reeducation zu. Aus Sicht der amerikanischen Besatzungsmacht sollten die Deutschen nach 1945 einen Erkenntnisprozess durchlaufen, der neben der Anerkennung der Kriegsschuld auch die Einübung demokratischer Prozesse beinhaltete.

Die letzte Sektion behandelte das Erinnern an die Revolution bis ins 21. Jahrhundert. PERIKLES CHRISTODOULOU (Brüssel) erläuterte die Darstellung der Revolutionen des 19. Jahrhunderts im Haus der Europäischen Geschichte und präsentierte dazu die Ausstellungsinhalte und das dramaturgische Konzept. Zentral dafür sei die Interpretation der Revolution als transnationales Ereignis. Danach spürte ULRIKE LAUFER (Essen) der geschichtspolitischen Neuausrichtung der Bundesrepublik durch den ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten Gustav Heinemann nach. Sein Engagement gipfelte 1974 in der Gründung der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte. Schließlich untersuchte JÜRGEN FRÖLICH (Bonn) den Umgang mit der Revolution im deutschen Nachkriegsliberalismus. So hätten sich die Nachkriegsliberalen stets zu 1848 bekannt, zusätzlich zur Paulskirche sei Heppenheim wegen der 1847er-Versammlung ein besonderer Erinnerungsort für sie gewesen. Mit der Gründung der FDP 1948 in Heppenheim habe man bewusst an die revolutionären Traditionslinien angeknüpft.

In ihrem Schlusswort fassten die Organisator:innen die zahlreichen Ergebnisse und Erkenntnisse der 28 Vorträge zusammen und versuchten gleichzeitig, erste Rückschlüsse für das Verhältnis von Modernität, Demokratie und Revolution wie auch für eine Neubestimmung der 1848er-Revolution in der deutschen Demokratiegeschichte zu ziehen. Einig waren sie sich mit den Referent:innen darin, dass es keine einfachen Antworten dazu gebe, dass vielmehr der Aufbruch Deutschlands in die demokratische Moderne in den Revolutionsjahren durch eine große Vielfalt und Komplexität der Ereignisse und Strukturen gekennzeichnet sei, die mittels künftiger Forschungen noch weiter konkretisiert werden müssten.

Konferenzübersicht:

Birgit Bublies-Godau (Bochum) / Kerstin Wolff (Kassel): Einführung in das Tagungsthema

Sektion 1: Die Vorgeschichte der Revolution

Moderation: Kerstin Wolff (Kassel)

Norbert Fabian (Bochum): Vergleichende revolutions- und demokratietheoretische Überlegungen zu 1848/49

Jean-Christophe Merle (Vechta): Die Februarrevolution als unreflektierte soziale Transformation bei Tocqueville und ihre Modernität

Diogo Sasdelli (Saarbrücken): Freiheit und Sicherheit im philosophischen Liberalismus des deutschen Vormärz

Sektion 2: Moderne Formen politischer Partizipation, Repräsentation und ihre Beschränkung

Moderation: Birgit Bublies-Godau (Bochum)

Ewald Grothe (Gummersbach): „Wir Deutschen ... werden auch noch zu der englischen Einsicht gelangen und bald.“ Politiker, Parlamente und Verfassungen des Vormärz als Vor- und Leitbilder für die Paulskirche

Klaus Seidl (Berlin): Die Paulskirchenverfassung vom 28. März 1849 – Wege, Irrwege, Umwege eines Dokuments

Katharina Thielen (Saarbrücken / Bonn): Partizipation in der Restauration? Wege und Grenzen politischer Beteiligung in der preußischen Rheinprovinz 1815–1848

Christian Jansen (Trier): Imperialismus und kolonialistische Phantasien in den Debatten der Paulskirche

Sektion 3: Progressive soziale Bewegungen und Protestformen

Moderation: Stefan Berger (Bochum)

Olaf Briese (Halle): „Association“. Drei grundverschiedene Konzepte und Praktiken um 1848

Susanne Schötz (Dresden): Politische Forderungen zur Organisation von Arbeit, zur Umsetzung weiblicher Erwerbsinteressen und zur Gleichstellung von Frauen in der Revolution 1848/49 am Beispiel von Louise Otto-Peters

Jürgen Schmidt (Trier): Partizipativ-demokratische Öffentlichkeit statt sektiererischer Geheimbünde: Die Revolution von 1848/49 als Ausgangspunkt einer neuen Arbeiterbewegung

Sektion 4: Die Revolution und die Geschlechterrollen

Moderation: Kerstin Wolff (Kassel)

Gabriella Hauch (Wien): Freud und Leid der feministischen Wir: 1848 und die Geschlechter des Politischen in der bürgerlichen Moderne (entfiel krankheitsbedingt)

Corinna Oesch (Wien): Das Geschlecht des Mediums. Petitionen um 1848

Susanne Wosnitzka (Augsburg): Die Löwinnen von Paris – Wegbereiterinnen der Emanzipation zwischen Französischer Revolution und der Revolution 1848/49

Vincent Dold (Berlin): „... jetzt ist sie über all die Revolutionen toll vor Vergnügen. Sie hat sich eine trikolore Kokarde gemacht, so groß wie ein Wagenrad“. Die Revolution 1848/49 durch den Blick weiblicher Revolutionsbriefe

Stefan Müller (Bonn): Die revolutionäre Liebe des Johannes Miquel (1828–1901)

Sektion 5: Der revolutionäre Aufbruch in Kommunikation, Literatur und Medien

Moderation: Wolfgang P. Cilleßen (Frankfurt am Main)

Norbert Otto Eke (Paderborn): (Prä-)Modernität? Das Ringen um Zeit und Zeitgenossenschaft in der Literatur der Vormärz- und Revolutionsepoche

Sandra Markewitz (Vechta): Die Sprache der Revolution im Vormärz

Anne-Rose Meyer (Wuppertal): 48er Revolution und Nationalversammlung aus weiblicher Sicht: Fanny Lewald, Malwida von Meysenbug, Ottilie von Goethe und Sibylle Mertens

Bernd Füllner (Wuppertal): Zwischen Fiktion und Realität – Fürst Lichnowsky und Ritter Schnapphahnski. Verknüpfung von realer Person und fiktiver Romangestalt in der Karikatur

Sektion 6: Biographien der Revolution und ihre Rolle in der Demokratievermittlung

Moderation: Andrej Bartuschka (Rastatt) und Margit Frölich (Frankfurt am Main)

Birgit Bublies-Godau (Bochum): „‚… welche Möglichkeiten es auch in der deutschen Geschichte gab.“ Liberale und republikanische Familien und ihr Verhältnis zu 1848/49 – Erfolge, Niederlagen, Ambivalenzen (1789–1945/49)

Sarah Panter (Mainz): Transatlantische Familien als Schlüssel zur Wirkungsgeschichte der Revolution 1848/49

Hermann Rösch (Köln / Bonn): Zwischen revolutionärem Enthusiasmus und Familienalltag. Johanna und Gottfried Kinkel in Revolution und Nachmärz

Tobias Hirschmüller (Eichstätt/Ingolstadt): Das erste parlamentarische Staatsoberhaupt Deutschlands? Erzherzog Johann als Reichsverweser im Spannungsfeld zwischen Standes- und Amtsverständnis

Susanne Kitschun (Berlin): Der Friedhof der Märzgefallenen in Berlin – Zum Erinnern in verschiedenen politischen Systemen (vorgezogen wegen Terminüberschneidungen von Sektion 8)

Sektion 7: Die Innovationen der Revolution: Potenziale, Perspektiven und Grenzen für die heutige demokratische Ordnung

Moderation: Dorothee Linnemann (Frankfurt am Main)

Andreas Fahrmeir (Frankfurt am Main): „Der jüngste Tag“: Versuche und Grenzen eines radikalen Bruchs mit der bisherigen Ordnung

Sabine Freitag (Bamberg): Demokratischer Reimport? 1848 und der politische Wiederaufbau Westdeutschlands in der Nachkriegszeit

Veronika Settele (Bremen): 1848 in der Geschichte der Sexualität: Selbstbestimmung und Repression (entfallen)

Sektion 8: Das vielfältige Erinnern an die Revolution

Moderation: Elisabeth Thalhofer (Rastatt)

Perikles Christodoulou (Brüssel): Das revolutionäre 19. Jahrhundert im Haus der Europäischen Geschichte Brüssel

Ulrike Laufer (Essen): „Wir müssen die Demokratie und die Republik aufnehmen in unser Fühlen und Denken. Wir müssen Demokraten und Republikaner sein, oder wir werden nicht mehr sein!“ Gustav Heinemann und die Revolution 1848/49

Jürgen Frölich (Bonn / Gummersbach): Gehört die Revolution von 1848 zur liberalen Tradition? Zum Umgang mit 1848/49 im deutschen Nachkriegsliberalismus zwischen 1948 und 1998

Birgit Bublies-Godau (Bochum), Dorothee Linnemann (Frankfurt am Main), Elisabeth Thalhofer und Andrej Bartuschka (Rastatt) sowie Kerstin Wolff (Kassel): Kurze Zusammenfassung und Ausblick